Golf Art Land

Zur Begegnung von Golf und zeitgenössischer  Kunst

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Von seltenen Fällen und Bällen

Solche Glücksfälle sind Raritäten: „Hole in one“ — mit einem Schlag einzulochen – bleibt meistens nur der Traum aller Golfspieler, um so größer dann die Freude, gegen alle Wahrscheinlichkeit gespielt zu haben. Ähnliches trifft auch für das Projekt GOLF ART LAND zu: Bundesweit ist der Golfclub Weserbergland der einzige Club, der kontinuierlich seit 1993 eine Skulpturensammlung auf seinem Gelände aufbaut. Die besondere Leistung, die mit diesem Projekt verbunden ist, wird durch einen kurzen Rückblick auf die Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum deutlich.

Nicht weit entfernt vom Weserbergland begann 1974 in Hannover das Straßenkunstprojekt, in dem zum ersten Mal in der Bundesrepublik die Kunst den Schonraum des Museums verließ. Mitten auf den Plätzen und Straßen der Stadt gab es für die Passanten Ungewohntes zu sehen und manche zeitgenössische Skulptur, wie die berühmt gewordenen Nanas, brauchte lange Jahre, um angenommen zu werden. 30 Jahre nach diesem Aufbruch der Kunst in den öffentlichen Raum ist die damalige Euphorie, die Kunst in direkten Kontakt mit den Bürgern zu bringen, einer gewissen Ernüchterung gewichen; die raue Wirklichkeit der gekürzten Kulturetats, des Vandalismus und des immer noch weitverbreiteten Unverständnisses gegenüber zeitgenössischen Kunstwerken zeugen davon, dass sich die Kluft zwischen dem Publikum und den Formen und Intentionen der Künstler im öffentlichen Raum nur geringfügig verkleinert hat.

Heute wird stattdessen deutlich, dass die bildende Kunst und der künstlerische Individualismus im Medienzeitalter nur noch als Randphänomen wahrgenommen wird, dessen chiffrierte Sprache von vielen als zu anstrengend empfunden wird. Der Wert einer möglichen Entdeckung des Kunstwerks kann aber erst dann wahrgenommen werden, wenn eine geistige Bereitschaft dazu vorhanden ist.

Dieses Dilemma zu durchbrechen und sich auf geistiges Neuland zu begeben,war die Voraussetzung und gleichzeitig das Wagnis bei dem Beginn des Projekts GOLF ART LAND. Damals, 1993, beschloss der Golfclub Weserbergland ein außergewöhnliches Projekt zu realisieren. Vom damaligen Clubpräsidenten Wolfgang Bellmer mit dem Ankauf der ersten Skulptur, dem „Kleinen Denker“ der Berliner Bildhauerin Sabine Grzimek initiiert, entschied sich der Vorstand des Clubs für den Aufbau einer ständigen Sammlung von zeitgenössischer Kunst. In lockerer Folge wurden in den nächsten Jahren Skulpturen namhafter Künstler/innen angekauft und auf dem Gelände aufgestellt. Etwa die Hälfte der Künstler/innen ließ sich von der besonderen Landschaft zwischen Polle und Hummersen inspirieren und fertigte eine Arbeit für einen speziellen Ort auf dem Gelände. Als Beispiele für die ortsbezogenen Skulpturen seien genannt: Marina Schreibers schwimmende „Wasserpfeifen“ aus farbigem Polyester, Uwe Kampfs stählerne Skulptur in Form eines großen Rads, das einen Bezug zu der alten Weißenfelder Wassermühle herstellt, in der sich heute das Restaurant des Golfclubs befindet, und Michael Hischer, der für seine Skulptur „Bake“ die Insel im Teich als Standort wählte. Heute kann man feststellen, wie groß die Freude der Mitglieder und Besucher des Golfclubs über die Skulpturen und ihre Verbundenheit mit ihnen geworden ist. So entstand im Weserbergland ein Biotop, in dem Geistiges und Handwerk, Kultur und individuelle Ansichten eine Symbiose eingehen.

Pro­fessor Lothar Romain, der Präsident der Berliner Hochschule der Künste, beschreibt in einem Beitrag über Kunst im öffentlichen Raum deren Funktion folgendermaßen: die Betrachter sollten die Kunstwerke „als Zeichen anerkennen, die beweisen, dass in einer immer mehr in selbstgeschaffenen Sach- und Überlebenszwängen gefangenen Gesellschaft das kreativ-individuelle Anderssein (…) als Hoffnung notwendig und deshalb durchaus „Denk malwürdig ist.“ Dieses kreativ-individuelle Anderssein, für das die Kunstwerke stehen, ist auch eine der Grundlagen des Golfsports. So gibt es eine Reihe von Verbindungslinien zwischen beiden Bereichen, die an dieser Stelle einmal beleuchtet werden sollen. In der Schnittmenge beider Bereiche steht das Bild des homo ludens, der im Spiel seine Kreativität und Individualität entfaltet und zum Ausdruck bringt. Beide, Golf und Kunst, bedürfen zu ihrer Realisierung einer Vielzahl von materiellen und ideellen Ressourcen; beide haben zwar einen Sinn, sind aber zweckfrei, und bei beiden Disziplinen spielt das Geistige eine entscheidende Rolle. Bei der Kunst gilt es, aus der Tradition herauszutreten und eine eigene innovative Position zu entwickeln, beim Golf ist es die mentale Vorbereitung auf den Schlag, wie sie z. B. Sue Crowcroft in ihrem Buch „Kagami Golf“ beschreibt.

Beide Disziplinen fördern also eine verschärfte Wahrnehmung, die die jeweilige technische Umsetzung mit dem Ball oder den Formen abverlangt und hier wird vielleicht die interessanteste Übereinstimmung deutlich: die des Zusammenfallens der höchsten Konzentration beim Tun, in der perfekten Harmonie zwischen Geist und Ausführung, die sich im Bereich der Kunst in der Selbstverständlichkeit der Kunstwerke manifestiert. „Als ob sie schon immer da gewesen wären“, wie ein Besucher von GOLF ART LAND einmal formulierte; welch größeres Kompliment könnte man den Skulpturen machen, die eine einzigartige Einheit von Kunst, Golf und Natur bilden.

Prof. Christoph Rust
Professor für Ästhetik und Kommunikation an der FH Bielefeld, verantwortlich für die künstlerische Leitung des Projekts GOLF ART LAND, realisierte eine Reihe von Kunstprojekten im öffentlichen Raum, u. a. den Skulpturenpark Langenhagen 1986 – 1990, Werkstatt Schloss Wolfsburg 1991,und „Kunst am Zug“ an der Bahnstrecke Wolfenbüttel – Schöppingen 1992

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